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Aufschwung und neue Anfänge

The Rt. Hon. Stephen Harper, Premierminister von Kanada

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Das Thema für die Gipfeltreffen 2010 in Kanada lautet „Aufschwung und neue Anfänge“. Auf den Gipfeltreffen der G-20 und auch der G-8 wird Kanada die Führungsrolle beim Ansprechen der Herausforderungen einer voneinander abhängigen Welt übernehmen.

Unser Denkansatz richtet sich auf das Konzept einer „aufgeklärten Souveränität“. Obwohl die Talsohle der Krise scheinbar überwunden ist, müssen die führenden Länder gemeinsam Verantwortung übernehmen, besonders für den Status der globalisierten Wirtschaft. Wir müssen vereint handeln - und zwar mit weniger Eigeninteresse im Namen der Souveränität und stattdessen mit erweitertem Blick auf gemeinsame Ziele, die Raum für Wachstum und Wohlstand für alle gewährleisten. „Aufgeklärte Souveränität“ ist daher die natürliche Erweiterung von aufgeklärtem Eigeninteresse.

Anstatt neue, ehrgeizige Vereinbarungen anzustreben, werden sich die Gespräche in Toronto und Muskoka darauf konzentrieren, die bereits eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen. Wir wissen, dass Entschiedenheit und Konsequenz für das Erzielen von Ergebnissen maßgeblich sind. Wenn die Gipfeltreffen wirklich erfolgreich sein sollen, dann ist dieses Verständnis der Rechenschaftslegung seitens aller Mitgliedsstaaten der G-8 und G-20 kritisch.

Wir haben keine Wahl: Das G-20 Gipfeltreffen muss ein Erfolg werden. Obwohl die beeindruckende Macht des freien Marktes bei der Schaffung und weitreichenden Verteilung von Wohlstand unbestritten ist, wissen wir auch, dass Märkte der Regulierung bedürfen. In der neuen globalen Wirtschaft haben wir dafür die G-20.

Während wir die letzten Phasen der Rezession bewältigen und den Aufschwung begrüßen, bestehen vier kritische Bereiche, in denen das Handeln der G-20 stets unerlässlich war und auch weiterhin bleiben wird: Reform des Finanzsektors, Konjunkturprogramme, Reform internationaler Institutionen und globale Handels- und Wachstumsstrategien.

Erlauben Sie mir, mit der Reform der Finanzsektorregulierung zu beginnen.

Vielen von Ihnen ist bekannt, dass Kanada nicht Teil des Problems war. Es sind keine größeren kanadischen Finanzinstitute untergegangen, und keine mussten mit staatlicher Hilfe gerettet werden. Infolgedessen zählt Kanadas Bankensektor heute zu den größten der Welt, und er ist vollständig in Privatbesitz.

Das Weltwirtschaftsforum und in letzter Zeit auch Moody's Investors Service haben Kanadas Banken als die solidesten der Welt eingestuft. Die Leistung des Sektors während dieser Krise hat die Effektivität des kanadischen Vorgehens hervorgehoben. Wir möchten daher dringend empfehlen, ähnliche Regulierungspraktiken global zu übernehmen.

Unzulängliche nationale Systeme müssen neu strukturiert und einer unabhängigen internationalen Begutachtung unterzogen werden, um die Transparenz zu erhöhen und Risiken für die Weltwirtschaft zu reduzieren. Geringere Maßnahmen würden jede Volkswirtschaft unnötigen Risiken und möglicher Ansteckung aussetzen.

Auf dem Gipfeltreffen der G-20 werden wir diese verstärkte Regulierung des Finanzsektors und verbesserte Koordinierung zwischen den Regulierungsbehörden anregen. Kanada wird jedoch nicht den Weg einer übermäßigen, willkürlichen oder strafenden Regulierung seines Finanzsektors einschlagen.

Die zweite aktuelle Priorität der G-20 ist das Vorantreiben global koordinierter monetärer und fiskalischer Konjunkturmaßnahmen. Unserer Meinung nach ist es wichtig, den eingeschlagenen Kurs im Moment beizubehalten - jedoch mit einem entscheidenden Vorbehalt:

Finanzielle Expansion, gesteigerte Staatsausgaben und erhöhte Staatsverschuldung waren während der Rezession notwendig. Tatsächlich war die Wirtschaftstheorie in dieser Frage eindeutig: Bei rapide fallenden Produktions- und Beschäftigungszahlen und Zinsen nahe null war dies die einzige Option. Die aktuellsten Ereignisse verdeutlichen jedoch die wahren Risiken für hochverschuldete Länder, die keine Ausstiegsstrategien für ihre hohen Budgetdefizite haben.

Dieses Bild beeinflusst unsere eigene Wirtschaftsplanung. Kanada wird sein zweijähriges Konjunkturprogramm und seine steuerlichen Stimulierungsmaßnahmen zur Unterstützung seiner Wirtschaft zu Ende führen. Wir werden alle in früheren G-20 Gipfeltreffen abgegebenen Versprechen erfüllen. Darüber hinaus haben wir einen schrittweisen, aber klaren Plan aufgestellt, um mittelfristig den Staatshaushalt wieder auszugleichen. Aufgrund eines relativ geringen Schulden- und Defizitniveaus hat sich unsere Situation offensichtlich als besser erwiesen - selbst während des starken Abschwungs von 2009.

Allgemeiner gefasst obliegt es den Mitgliedsstaaten der G-20, im Grundsatzvertrag für starkes, nachhaltiges und ausgewogenes Wachstum, der in Pittsburgh unterzeichnet wurde, Fortschritte zu erzielen. Wir müssen über die gegenwärtige Krise hinaus blicken und die zugrundeliegenden Ungleichheiten ansprechen, die zu dieser Krise beigetragen haben.

Ebenso müssen die Mitglieder der G-20 gewährleisten, dass internationale Finanzinstitutionen wie der Internationale Währungsfond, die Weltbank und die multilateralen Entwicklungsbanken als Schlüsselfundamente für globales Wachstum und Stabilität wirken. Wir müssen unsere Verpflichtung erfüllen und Stimme sowie Repräsentanz der dynamischen Schwellenländer und sich entwickelnden Volkswirtschaften in diesen Institutionen erweitern, um deren Legitimität, Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit zu erhöhen.

Als Letztes möchte ich über globalen Handel und Wachstumsstrategien sprechen. Das Wachstum im globalen Handel ist weitgehend für den Wohlstand verantwortlich, den die letzte Generation weltweit geschaffen hat. Erweiterung des Handels und Widerstand gegen Protektionismus sind unerlässlich für die Weltwirtschaft und das gerechte Anliegen, Millionen Menschen von Armut zu befreien. Die Mitglieder der G-20 haben dies bei jedem Treffen bekräftigt.

Selbstverständlich gab es auch nationale Maßnahmen, die von dieser Zielstellung ablenken.  Trotzdem haben wir bisher Auswüchse von Protektionismus vermieden, die den Börsenkrach von 1929 zu einer Weltwirtschaftskrise werden ließen, die ein Jahrzehnt lang andauerte.

In Kanada haben wir versucht, bei der Förderung des Freihandels und offener Märkte eine führende Rolle zu spielen. Unser Konjunkturpaket hat keine Zölle erhöht. Wir haben Zölle sogar einseitig reduziert, wodurch Kanada zu einer zollfreien Zone für Hersteller wird. Seit 2006 haben wir Freihandelsabkommen mit acht zusätzlichen Ländern abgeschlossen, und wir führen zurzeit sechs weitere Verhandlungen, darunter mit der Europäischen Union. Wir werden Protektionismus auch weiterhin ablehnen und am Reduzieren bzw. Eliminieren von Zollbarrieren arbeiten.

Unser Bestreben — die notwendige Bedingung für Erfolg im weiteren Vorgehen der G-20 — muss die gemeinsame Überzeugung sein, dass sich der steigende Aufschwung auf alle Länder auswirken muss und nicht nur auf einige. Das ist Geltendmachung der Souveränität in höchst aufgeklärter Form. Dabei geht es nicht prinzipiell um die Struktur globaler Institutionen. Es ist eher eine Frage der Einstellung. Es macht keinen Unterschied, welche globalen Strukturen wir für unsere gemeinsamen Verbesserungsvorhaben entwerfen: Wenn wir keine globalen Denkansätze haben, funktionieren die Strukturen nicht.

Während sich die G-20-Mitglieder zwangsläufig auf die Wirtschaft konzentrieren, bleibt auch für die Gruppe der G-8 eine wichtige Rolle. Befreundete Industriestaaten mit verbindenden Werten können immer noch viel erreichen durch Förderung von Demokratie, Entwicklung, Frieden und Sicherheit.

In unserer unruhigen Welt erkennen wir deutlich, wie viele Aspekte auf diesen Gebieten internationale Zusammenarbeit erfordern. Terrorismus bedroht uns alle. Auf strategischen Seewegen ist die Piraterie zurückgekehrt. Der Klimawandel bedroht in unverhältnismäßiger Weise Völker, die sich am wenigsten auf diesen Wandel einstellen können. Und schließlich: Obwohl die Spannungen zwischen den älteren Atommächten weitgehend abgebaut wurden, verursacht der Erwerb von Atomwaffen durch neue - insbesondere nichtstaatliche - Mitspieler tiefe Besorgnis.

Diese komplexen und gewaltigen Drohungen können nicht von einem einzelnen Land im Alleingang bewältigt werden. Die G-8-Länder müssen gemeinsam Führungsstärke zeigen. Ein Bereich, auf dem sich das erzielen lässt, ist die Gesundheitsfürsorge für Mutter und Kind.

Wussten Sie, dass jedes Jahr mehr als eine halbe Million schwangere Frauen sterben und fast neun Millionen Kinder ihr fünftes Lebensjahr nicht erreichen?

Zu viele Leben und Lebenswege gingen bereits verloren. Zur Schande der Welt sind schon viele Leben dem Mangel an relativ einfachem Gesundheitsschutz zum Opfer gefallen, der durchaus innerhalb der Möglichkeiten der internationalen Gemeinde liegt. Häufig sind die Schlüssel zum Leben nicht anspruchsvoller als sauberes Wasser oder die einfachste Behandlung von Infektionskrankheiten.

Kanada hat den Vorsitz der G-8 übernommen. In dieser Eigenschaft werden wir uns für eine Initiative einsetzen, um die Anzahl gesunder Schwangerschaften, gesunder Mütter und gesunder Kinder zu erhöhen. 

Dies umfasst einen breiten Bereich von Maßnahmen im gesamten Kontinuum der Gesundheitsfürsorge, darunter Schulung und Unterstützung von medizinischen Frontline-Fachkräften; bessere Ernährung und Bereitstellung von Mikronährstoffen; Verhütung und Behandlung von Krankheiten wie Lungenentzündung, Diarrhöe, Malaria und Sepsis; Verhütung und Behandlung sexuell übertragbarer Krankheiten, darunter HIV/AIDS; geeignete Medikamente, Familienplanung, Impfungen; sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen.

Abschließend ist festzustellen, dass die Gipfeltreffen der G-20 und G-8 einer riesigen Tagesordnung gegenüber stehen, die in einer Atmosphäre globaler wirtschaftlicher und finanzieller Unsicherheit bewältigt werden muss. In den Sitzungen müssen wir die Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass alle Teilnehmer kollektiv für Lösungen verantwortlich sind. Wir müssen pragmatisch und konzentriert vorgehen und insbesondere zur Rechenschaftslegung für unsere Handlungen anspornen.

Als Gastgeber der G-8 und G-20 Gipfeltreffen im kommenden Juni wird Kanada seine Führungsrolle nutzen, um den Fokus auf diese zentralen Herausforderungen zu richten. Ich freue mich darauf, eng mit unseren internationalen Partnern zusammenzuarbeiten, während wir weiterhin den wirtschaftlichen Aufschwung unterstützen und für die Menschheit auf der gesamten Erde neue Anfänge vorzeichnen.

 

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